Die seit dem Wochenende wieder deutlich angestiegenen Temperaturen bringen in diesen Tagen überall in Oberbayern die Apfelbäume zum Blühen. Auf den Streuobstwiesen haben die Bäume schlagartig den Hebel umgelegt und die Landschaften in ein Blütenmeer aus Weiß und Rosa verwandelt. Mit diesem Wunder ist die Natur heuer zwei Wochen später dran als 2020.
Bis vor wenigen Tagen waren die Blüten noch gut eingepackt in den Knospen. Angelegt wurden sie bereits im vergangenen Spätsommer, über den Winter ist das Zellmaterial langsam herangereift. Der kalte April – laut Statistik der kälteste in Deutschland seit 1997 – verhinderte allerdings bis jetzt den Ausbruch der Blüte. Solange es nachts noch Temperaturen von nahe Null oder darunter hatte, entwickelten sich die Blüten kaum weiter. „Die Bäume wissen ganz genau, wann die die Blüten bereitstehen müssen“, sagt Dr. Sebastian Grünwald, selbst Streuobstwiesenbauer auf dem Grassl-Hof nördlich von Freising, Pomologe und Berater der Natursaftkelterei Wolfra. „Die Bäume haben Rezeptoren für die Temperatur, die Lichtstärke und die Tageslänge.“
Alle drei Werte müssen in den letzten Tagen auf Grün gesprungen sein. So wuchsen die Knospen nicht nur auf dem Grassl-Hof, sondern fast überall in Oberbayern schlagartig und färbten sich von grün zu rot. Eingehüllt in drei bis vier Hüllblätter enthält eine Knospe vier bis fünf Einzelblüten. Je nach Meereshöhe und Lage der Bäume springen die Blüten jetzt nach und nach auf: als erstes am zweijährigen Holz, später erst ist das einjährige Holz dran. So schreitet die Apfelblüte vom Inneren des Baums bis zu den Astspitzen fort.
„Der Sinn hinter dieser Strategie ist es, das Risiko zu streuen“, sagt Grünwald. Der Baum öffne nicht alle Blüten zur selben Zeit, um einerseits die Insekten nicht mit einem zu großen Angebot zu überfordern. Andererseits, um auch sicher Insektenflug zu erwischen. „An Regentagen kommen Bienen und andere Bestäuber nicht so gern raus“, sagt der Pomologe. Eine einzelne Blüte öffnet zwei bis drei Tage lang, danach fällt sie bereits ab. Es öffnen dabei auch nicht alle Blüten eines Knospenbüschels gleichzeitig, sondern immer zuerst die Blüte in der Mitte, die so genannte Königsblüte. Die liefert im Herbst dann auch den größten Apfel.
Ob es ein gutes Apfeljahr 2021 wird, kann Grünwald kann nicht abschätzen. „Der Nachtfrost im April war sicher nicht förderlich, da ist bestimmt die ein oder andere Knospe abgestorben.“ Gerade wenn Blüten schon recht weit entwickelt sind, kann das Gewebe innerlich schnell geschädigt werden. Die Blüte treibt dann womöglich noch, der Baum erkennt später aber den Schaden und wirft die Anlage ab. Da Obstbäume aber recht verschwenderisch umgehen und im Laufe des Jahres bis zu 95 Prozent ihrer Fruchtanlagen abwerfen, kann Grünwald noch keine Prognose über die Erntemengen in diesem Jahr abgeben. „Da kommt es sehr auf den weiteren Verlauf ab, Temperaturen, Niederschläge, Sonnenstunden“, sagt der Pomologe.